Volksbühne neu denken!

Mit dem Ausscheiden des Intendanten Dercon hat das von der Berliner Kulturverwaltung angerichtete Unheil in der causa Volksbühne seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Ignoranz und Desinteresse der politisch Verantwortlichen haben ein bedeutendes Berliner Theater an den Abgrund geführt. Die Freien Demokraten in Berlin-Mitte bedauern die vom Senat zu verantwortende Beschädigung dieser wichtigen Kulturinstitution in unserem Bezirk. Wir wollen mit einem konstruktiven Vorschlag zur zukünftigen Entwicklung der Volksbühne zur Erhaltung der Vitalität der Kultur in Berlin beitragen und möchten daher folgende Gedanken in die Debatte zu einer möglichen Neuausrichtung der Volksbühne formulieren.

Ein Theater-Hub für Berlin

Wir wollen die Volksbühne als Theater für das Volk und vom Volk. An Stelle eines weiteren Hauses mit einem mächtigen Intendanten (mit dessen Konzepten das ganze Haus steht und fällt), soll die Volksbühne eine Plattform für hochwertige, semi-professionelle Gruppen aus dem deutschen (oder deutschsprachigen, vllt. sogar europäischen) Raum werden. Das Haus hat kein eigenes Ensemble sondern konzentriert seine Ressourcen auf professionelle Theatertechnik, Dramaturgie, Administration, Support und bietet damit ein hochprofessionelles Umfeld um künstlerischen Potentialen den Sprung auf die (metaphorisch wie tatsächlich) große Bühne zu ermöglichen.

Jede Spielzeit werden eine bestimmte Anzahl an Slots für Gruppen semi-professioneller Theater vergeben, die dann eine garantierte Anzahl an Auftritten erhalten. Die Gastgruppen wären angemessen zu alimentieren. Die Auswahl könnte durch einen Programmausschuss ca. zwei Jahre im Voraus erfolgen. Dieser Programmausschuss würde künstlerischen Leitungsaufgaben (z.B. Setzung von Themenschwerpunkten) übernehmen und damit die üblicherweise von der Intendanz verantworteten Schwerpunktsetzungen übernehmen. In Zusammenarbeit mit Landestheaterpreisen, regionalen Festivals etc. könnten die Nominierungsverfahren gestaltet werde. Die Volksbühne wäre „der große Preis“ für erfolgreiche Nachwuchsgruppen und Semi-Professionelle, die sich regional durchsetzen. Das Haus bietet diesen Gruppen allen Support, um den Sprung zur Professionalität zu schaffen, sofern die Qualität stimmt (Dramaturgie, Kostüme, Bühnenbild etc.). So können etwa Gruppen die einen Landestheaterpreis gewonnen haben, hier ihr Stück ausbauen, professionalisieren und aufführen. Zudem bietet sich eine Zusammenarbeit mit den Berliner Schauspielschulen an.

Der Bezirksausschuss unterstützt den vorliegenden Gedankenanstoß als eine mögliche Perspektive der weiteren Entwicklung der Volksbühne und bittet den Bezirksvorstand im Dialog mit dem zuständigen Landesfachausschuss

- Die vorliegenden Gedanken kritisch zu diskutieren und gegebenenfalls weiter zu konkretisieren
- Bei Unterstützung durch den LFA eine offizielle Positionierung der FDP Mitte vorzubereiten und eine entsprechende Vorlage für die Landespartei zu erstellen

Begründung

Die deutsche Theaterlandschaft bietet ein sehr hochwertiges Potential im vor-professionellen Segment. Wir fordern nicht, beliebige Amateurtheater zu beglücken, sondern die breite, im internationalen Vergleich einmalige, deutsche Theaterszene anzusprechen, die unterhalb der üblichen, hochkulturell zentrierten Förderung großer Häuser aktiv ist. Jedes Jahr würden neue Gruppen hochwertige Impulse nach Berlin bringen. Damit würde ein vibrierender Hub für neue Ideen entstehen. Junge Regisseure und Schauspieler können entdeckt werden bzw. sich hier profilieren. Das Konzept wäre nicht nur schnell realisierbar, sondern auch einmalig. Ein richtig großes, professionell aufgestelltes Haus, das sich dauerhaft einer solchen Aufgabe widmet, gibt es so noch nicht. Die Konzentration auf Sprechtheater würde so auch erhalten bleiben ohne neben der Schaubühne, dem Deutschem Theater und dem Berliner Ensemble eine vierte, intendantengeführte Sprechtheaterbühne zu betreiben. Auch könnte das nicht-spielende Personal erhalten bleiben.